Wozu eine Bedarfsanalyse?

Ein qualitativ hochstehendes Angebot ist ohne eine solide Abklärung der Ausgangsposition nicht denkbar. Es ist wichtig, die Faktoren zu kennen, die Einfluss auf die Positionierung und Ausgestaltung von Angeboten haben. Solche Einflussfaktoren sind u.a.: Die Bedarfsentwicklung bei vorhandenen und potenziellen Kunden, die Wettbewerbssituation sowie die vorhandenen und zu erwartenden Umfeldbedingungen.

"Die Weiterentwicklung wird dann zum Thema, ... wenn im Arbeitsprozess Wissensdefizite und ihre Folgeprobleme zutage treten."

Walter Schöni: "Praxishandbuch Personalentwicklung" (S. 95)

 

Woraus entsteht ein Bildungsbedarf?

Ein Bildungs- und Lernbedarf entsteht in einer Handlungssituation: Jemand steht vor einer Aufgabe und kann sie nicht lösen. Bevor ein Lehrgang entwickelt wird, müssen deshalb die zentralen Handlungsfelder des Tätigkeitsgebietes identifiziert werden. 

Wer definiert den Bildungsbedarf?

In der Grundbildung und höheren Berufsbildung

In der Schweiz sind es die OdA (Organisationen der Arbeitswelt), die die Bildungsinhalte der beruflichen Grundbildung und der Bildungsgänge an höheren Fachschulen definieren. In einer OdA sind Berufsverbände und Arbeitgebervereinigungen vertreten. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) erlässt die Verordnungen für die Grundbildung und anerkennt die Prüfungsordnungen und Rahmenlehrpläne der höheren Berufsbildung. Die Kantone beaufsichtigen die Umsetzung. Diese Aufgabenteilung sorgt dafür, dass gesamtschweizerisch in allen Berufen die gleichen Inhalte und Kompetenzen gelehrt werden.

Bei öffentlichen Trägern

Für die Ausbildung von Mitarbeitenden im öffentlichen Sektor (Lehrpersonen, Verwaltungsmitarbeitende, Berufs- und Laufbahnberatende) sowie für Angebote im Rahmen von Arbeitsmarktlichen Massnahmen, für die Integration von Migrant/innen, für die Elternbildung und für spezielle Bildungsinitiativen sind es häufig Behörden, die in einer Leistungsvereinbarung die Anforderungen an die Bildungsmassnahmen festlegen.

In der beruflichen und persönlichen Weiterbildung

Es gibt in der Schweiz eine grosse Zahl Bildungsanbieter (von der kleinen Privatschule bis zum Weiterbildungskonzern und von öffentlichen Trägern, Verbänden oder Gewerkschaften bis zu Kleinstbetrieben, Lernstudios und freien Trainern), die Kurse, Seminare, Lehrgänge anbieten. Je besser sie das Praxisfeld bzw. das Umfeld ihrer Teilnehmenden kennen, desto besser kennen diese Anbieter auch den Bedarf und die Bedürfnisse potentieller Lernender.

Bildungsbedarf erschliessen

Da, wo eine Schule eigene Angebote entwickelt und anbietet, ist die Bedarfsanalyse ein wichtiges Thema. Bildungsanbieter stehen untereinander in Konkurrenz. Kunden (ob einzelne Teilnehmende oder Auftraggeber/innen) buchen nur Kurse, von denen sie sich einen wie auch immer gearteten Nutzen versprechen. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, was potentielle Lernende wollen und brauchen. Mit der spezifischen Aus- oder Weiterbildung entwickelt sich eine Person weiter - und zwar möchte oder muss sie das üblicherweise in eine vordefinierte Richtung tun. Dies gilt sowohl für die betriebliche Weiterbildung wie auch für das Privatleben - wenn jemand nicht mehr weiter weiss, schaut er oder sie sich nach einem Weiterbildungsangebot um.

Umfeldanalyse

Zur Umfeldanalyse gehören Aspekte wie:

  • Umwelt
  • demographischer Wandel
  • Neue Technologien
  • Politische Veränderungen
  • Weltwirtschaft
  • Wertewandel
  • Wirtschaft und Verkehr in der Region
  • Grössere Firmen in der Umgebung
  • Bevölkerungsstruktur

Marktanalyse

Die Marktanalyse sollte Antwort auf Fragen geben wie

  • Wer interessiert sich für dieses Angebot?
  • Wieviele potentielle Lernende gibt es?
  • Wie informieren Interessenten sich über Angebote auf dem Markt?
  • Aufgrund welcher Kriterien entscheiden sie sich?
  • Wie sieht das Kaufverhalten aus (zu welchem Preis, wann, bei wem, zu welchem Zeitpunkt, warum und wozu wird gekauft)?

Konkurrenzanalyse

Die Konkurrenzanalyse beschäftigt sich mit Fragen wie

  • Wer sind unsere Konkurrenten?
  • Wieviele gibt es davon?
  • Wie entwickeln sie sich? Wie erfolgreich sind sie?
  • Was sind ihre Verkaufsargumente? Wie werben sie?
  • Welches Angebots-Spektrum bieten sie an?
  • Welche Spezialitäten haben Sie? Welche Werte?
  • Welche Stärken - Schwächen zeigen sie?
  • Sind sie bloss Konkurrenten, oder könnten sie zu Partnern werden?

Analyse des individuellen Anforderungsprofils

Je nach Arbeitsfeld, Funktion oder Lebensumstände sind andere Kompetenzen zu erwerben, um erfolgreich zu sein. Je genauer die Handlungsfelder und Herausforderungen bekannt sind, desto genauer kann ein Anforderungsprofil entwickelt werden. Gewisse Kombinationen von Handlungsfeldern werden häufig gemeinsam erworben und mit einem eidgenössischen Bildungsabschluss (Fähigkeitszeugnis, Fachausweis, Diplom) bestätigt. Solche Aus- und Weiterbildungen müssen formal anerkannt werden, sie sind entsprechend wertvoller auf dem Arbeitsmarkt.

Welche Handlungsfelder zentral sind und welche Qualifikationen an Arbeitsplätzen erforderlich sind, kann z.B. durch die Untersuchung der Stelleninhaber erhoben werden - daraus entsteht ein Anforderungsprofil. Die Personalverantwortlichen von grossen Firmen kennen ebenfalls die Anforderungsprofile und kaufen diejenigen Angebote ein, die die Qualifikationslücken schliessen. Sie sind deshalb ebenfalls wichtige Informationsquellen, wenn es um die Bedarfsabklärung geht. Für viele berufliche Zusammenhänge sind die Bildungsverordnungen und Rahmenlehrpläne ebenfalls hervorragende Quellen, um Handlungsfelder zu identifizieren.

An allen Arbeitsplätzen braucht es im Minimum die sogenannten Grundkompetenzen, die notwendig sind, um generell die Anforderungen am Arbeitsplatz zu bewältigen und um sich beruflich weiter zu entwickeln. Dazu zählen Schreiben, Lesen, und Reden in einer Landessprache, Grundkenntnisse der Mathematik, Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Zentral sind auch Soft Skills wie Kommunikation, Zusammenarbeit und Arbeitstechnik.

Bildungsbedürfnisse erschliessen

Alle Personen, die eine Aus- oder Weiterbildung besuchen, haben auch persönliche Bildungsbedürfnisse. Sie haben Wünsche an die zeitliche Gestaltung, an Prioritätensetzungen, an Kurszeiten usw. , deren Befriedigung einer Schule einen grossen Wettbewerbsvorteil bringen kann. Dabei hilft die Zielgruppenanalyse, auch Adressatenanalyse genannt.

Bei einer Pflicht-Weiterbildung oder in der Ausbildung werden diese Bedürfnisse häufig erst zu Beginn eine Bildungssequenz direkt erfragt. Dies stellt bei sehr heterogenen Gruppen die Lehrpersonen vor grosse Herausforderungen.

In der persönlichen und privaten Weiterbildung werden eher individuelle Qualifikations-Lücken geschlossen. Ob jemand eine Präsentations-Schulung macht oder lieber auf ein Angebot zur emotionalen Intelligenz oder zum selbstbewusster werden einsteigt, ist eine persönliche Entscheidung, oft auch vom eigenen Leidensdruck ausgelöst. Sprachen werden privat aus sehr unterschiedlichen Gründen gelernt. Und im Freizeit-Kurs-Angebot entsteht die Nachfrage oft eher aus dem Zeitgeist als aus einer Qualifikations-Lücke. Hier kann eine Zielgruppenanalyse im Voraus, die Ausschreibung bereits so zu gestalten, dass sich eine homogenere Gruppe von Teilnehmenden angesprochen fühlt.

Adressatenanalyse / Zielgruppenanalyse

Die Zielgruppenanalyse befasst sich mit der Frage, für welche Personengruppen ein Angebot entwickelt wird. Aus den Antworten können ebenfalls Anforderungen an ein Angebot abgeleitet werden. Mögliche Aspekte sind:

  • Alter, Geschlecht
  • Beruf, Ausbildung
  • Kultureller Hintergrund
  • Biografische Informationen
  • Wissensstand
  • Lernbereitschaft, Lernerfahrungen
  • Lernfähigkeit
  • Herkunftsmilieu

 

Verwandte Beiträge und weiterführende Links

Prozess "Bedarfsanalyse"

Bildungskonzept

Wirkungsanalyse

Entwicklungsbedarf klären

Unterrichtsplanung

 

Das Portal zur Berufsbildung www.berufsbildung.ch